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Benefiz – Jeder rettet einen Afrikaner


(Bühnen- und Kostümbild)
Text: Ingrid Lausund
Regie: Brit Bartkowiak
Stadttheater Ingolstadt, Kleines Haus
Premiere: 20.03.15




Donaukurier, 23.05.15 von Anja Witzke
Heute retten wir die Welt
Umjubelte Premiere: Lausunds bissige Farce „Benefiz“ in Ingolstadt

Harald Schmidt hat abgesagt. „Aber hat sehr nett abgesagt“. Wie wäre es dann mit Holger Badstuber? Veronika Ferres? Oder Valeria? Die ist immerhin schwarz, wenn auch afri-bajuwarisch. Aber schließlich geht es um schwarze Kinder in Afrika. Kaum hat Rainer Valeria ins Spiel gebracht, geht der absurde Eiertanz um „political correctness“ los.
„Ich finds ganz schlimm was du sagst, du machst aus einem Menschen eine Abenddekoration“, ereifert sich Eva. Es wird nicht der einzige Streit an diesem Abend sein. Dabei haben sich die 5 Freunde getroffen, um gemeinsam das Konzept für ihren Benefiz-Abend zu erarbeiten. Sie wollten Spenden sammeln für eine Schule im westafrikanischen Guinea-Bissau. Aber wie überzeugt man potentielle Geldgeber? Durch sachliche Informationen? (Statistiken von Elend, Krieg, Krankheit, Armut, Tod) oder schockierende Photos? Durch Emotionalität („Der kleine Paolo ist 8 Jahre alt und schläft auf Wellpappe“) oder Entertainment? Durch zornige Barmherzigkeits-Predigten oder enthusiastisches Gutmenschentum? Durch Pathos? Betroffenheitstheater? Oder gilt auch hier: „Sex sells“? Das Stück „Benefiz-Jeder rettet einen Afrikaner“ der in Ingolstadt geborenen Autorin Ingrid Lausund testet viele dieser Spielarten. Regisseurin Brit Bartkowiak setzt sie hingebungsvoll im kleinen Haus des Stadttheater Ingolstadt in Szene. Nach knapp zwei Stunden gab es dafür am Freitag Abend langen, nicht enden wollenden Applaus.

Denn Ingrid Lausunds Stück ist eine raffiniert gebaute Farce über den Entwicklungshilfebetrieb, und in mehrere Spielanordnungen unterteilt. Jeder der fünf Weltenretter hat Gelegenheit, sich einzubringen. Basisdemokratisch wird über Bühnentauglichkeit und Relevanz abgestimmt. Oder auch nicht. Das Stück lebt von der Unterschiedlichkeit der Figuren, von dem, was sie antreibt. Die eine drängt ins Rampenlicht, der andere will einfach nur Spaß, der dritte ist durchdrungen von Idealismus. Aber braucht es nicht die „richtigen“ Gründe zum Spenden? Schuld, Scham, Verantwortung, Gerechtigkeit? Im enervierenden und hochkomischen Hickhack werden solche Fragen zwischen Gott und gutem Eventmanagement verhandelt, und dabei kommt man vom hundertsten Vorurteil ins tausendste Klischee.
Herrlich ist das, wie es auf der Bühne menschelt, wenn sich das junge Schausielquintett mit Verve und Grandezza in die tragikkomischen Dialoge wirft, wenn jeder sein Solo vorbereitet, oder gekonnt aus der Rolle fällt, wenn man sich in Vermeidungsstrategien flüchtet, wenn in Sekundenbruchteilen neue Allianzen geschmiedet werden, wenn es plötzlich um Betonungen und Eitelkeiten geht, statt um Inhalte, wenn wahrhaftigste Momente als Show entlarvt werden und die Beziehungen untereinander in vielen kleinen feinen verräterischen Details sichtbar werden.
Ingrid Lausunds Text ist klug, rabenschwarz und demaskierend- und erzählt viel über uns selbst.

Es braucht große Präzision um diesen Facettenreichtum und vor allem die Zwischenräume auf die Bühne zu bringen, ohne ins allzu Komödiantische abzugleiten und den ernsten Hintergrund zu verraten.
Regisseurin Brit Bartkowiak ist das gelungen. Schließlich steht ihr dabei ein beeindruckendes Ensemble zur Verfügung: Bela Milan Uhrlau, Mira Fajfer, Anjo Zernich, Matthias Zajgier und Carolin Schär präsentieren ihre Figuren mit hohem Einfühlungsvermögen, großer Energie, mit Witz und Lust am Mehrdeutigen, Unerwarteten, Kippligen.

Am Ende hat sich die Wohltätigkeitsbaustelle (Bühne: Hella Prokoph) in eine Schule verwandelt, ein Quadrat aus vier mal vier Holztischen, davor jeweils zwei kleinen Stühlen, dahinter die Weltkarte- und irgendwo Guinea-Bissau. Nein, eigentlich ist es eine Vision und ein Versprechen: Dieses Schulprojekt gibt es wirklich, die Spendenaufrufe waren folglich echt. Und so bietet der Abend neben Erkenntnisgewinn und Theatergenuss auch praktische Hilfe. Gehen Sie hin! Amüsieren Sie sich! Und retten Sie ganz nebenbei auch ein bisschen die Welt!

Kulturkanal Ingolstadt, 23.03.15 von Isabella Kreim
Sehenswert: „Benefiz – Jeder rettet einen Afrikaner“
Es ist ein kluger Schachzug der in Ingolstadt geborenen Autorin Ingrid Lausund, dass sie in ihrem Theaterstück „Benefiz- Jeder rettet einen Afrikaner“ die Fragen nach sinnvollen Hilfsprojekten in eine Probe zu einer Wohltätigkeits-Show verpackt.
Denn dadurch lässt sich – auch sehr komisch – über den richtigen Weg zu Spendenaufrufen und Hilfsaktionen streiten. Und gleichzeitig werden die unterschiedlichen Motive und persönlichen Eitelkeiten der Weltverbesserungsaktivisten hinterfragt.
5 Gutmenschen diskutieren, streiten, probieren, mit welchen Reden und kleinen Szenen, mit welchen Argumenten und Strategien sie am besten überzeugen und Spendengelder für eine Schule in Afrika sammeln können. Sachlich informieren oder eher an die Betroffenheit und an das schlechte Gewissen appellieren? Sie versuchen sich gegenseitig in der Präsentation ihres Anliegens auszustechen, rivalisieren um den wirkungsvollsten Auftritt und versuchen sich gegenseitig zu inszenieren. Sollte man hier nicht Applaus herausfordern? Wäre dort nicht ein fingierter Tränenausbruch angebracht oder eine „spontane“ Umarmung wirkungsvoll?
Regisseurin Brit Bartowiak hat mir ihren 5 wunderbaren Darstellern hervorragend die Untiefen aus glaubwürdigem Anliegen und verlogener Vermarktung, unfreiwilliger Komik aus Übereifer, die Rivalitäten und Animositäten auch unter Weltverbesserern und die ernst zu nehmenden Unsicherheiten im Umgang mit solchen Hilfsprojekte-Promotions ausgelotet.