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Alpha Park

Bühne und Kostüm
Text: Joachim Zelter (UA)
Regie: Christian Schäfer
Zimmertheater Tübingen
Premiere: 28.10.07


Theater der Zeit 4/08 von Otto Paul Burkhardt
Vom Lebensgesamtglück und anderen Problemen

Mehr Uraufführungen denn je: Mit Axel Krauße und Christian Schäfer brechen neue Zeiten am Tübinger Zimmertheater an

(…)Dann ein zweiter, ähnlich gestrickter Anlauf zum Thema Arbeit: „Alpha Park“ (UA), ein Stück des Tübinger Autors und Thaddeus-Troll-Preisträgers Joachim Zelter. Auch hier ist das Leben, ist die soziale Realität längst deformiert, bevor der Text beginnt – mit der Konsequenz, dass auch Zelters Plot groteske Züge trägt: Denn Arbeit, Wohnung, Kinder – das alles ist hier nur noch als Sponsoringfall finanzierbar. Die auserkorene Modellfamilie verkauft sich komplett an eine obskure Firma (ein moderner Teufelspakt) und muss sich fürderhin im „Alpha Park“ als rares Exemplar eines Lebensgesamtglücks begaffen lassen. Die Firma zahlt alles -„mit einer garantierten Laufzeit von zwanzig Jahren“.
Christian Schäfer verlegt das Ganze ins Foyer eines Sektenkonzerns – ein ganz in Weiß ausgestalteter Raum mit dem Charme einer Sterbeklinik und Vorhängen in peniblem Faltenwurf (Ausstattung Hella Prokoph). Weißer Spiritualitätsterror als Vorhof zur schwärzesten Hölle?

Robert Arnolds Krakert, dessen Menschenfang-Methoden an das ähnlich lautende Meerestier erinnern, bewegt sich in diesem Schauhaus lebender Exponate als Seelenfischer, Dompteur und Gefangenenwärter. Im Stil eines modernen Geschäftsmannes wirft er locker seine rosa Krawatte über die Schulter, um den Kaffee störungsfrei trinken zu können. Gleichzeitig inspiziert er die angeworbene Mutter (willenlos bis aufbegehrend: Nicole Schneider) wie ein Abschreibungsobjekt. Oder ordnet alsbald im Gestus eines gebrüllten „Führer“-Befehls die Produktion eines weiteren Kindes an.
Halb Dystopie, halb Albtraum: „Alpha Park“ ist bildkräftig und detailreich inszeniert. Und bildet mit dem Frechette-Text ein ergiebiges Doppel zum Spielzeitthema -mit Blick auf verrückte („Simon Labrosse“) und erschreckende („Alpha Park“) Auswüchse einer aus den Fugen geratenden Arbeitswelt. (…)

Stuttgarter Nachrichten 30.10.09 von Horst Lohr

Die neuen Intendanten des Tübinger Zimmertheaters starten mit einer Doppelpremiere in die Spielzeit

Ausstellungsstück Familienleben im Erlebnispark

Einen Kraftakt der besonderen Art muten sich Vera Sturms Nachfolger als Intendanten des Tübinger Zimmertheaters zu: Nicht weniger als elf Premieren und zahlreiche Zusatzveranstaltungen sieht Axel Kraußes und Christian Schäfers erster Spielplan vor.

Sich damit künstlerisch nicht zu übernehmen, wird nicht einfach werden. Die Doppelpremiere zum Spielzeitstart hinterließ handwerklich einen zwiespältigen Eindruck: Die beiden Zimmertheater-Chefs setzten als Regisseure erste Zeichen und stellten dabei ihr fünfköpfiges festes Ensembles vor.

Fesseln kann Christian Schäfer mit seiner Inszenierung der Uraufführung von Joachim Zelters „Alpha Park“. In seinem sarkastischen Kammerspiel beobachtet der in Tübingen lebende Autor ein Paar, das seine gesamte Existenz von einer Firma planen und sponsern lässt. Als Gegenleistung müssen die beiden ihr Zuhause samt Ehe- und Familienleben in einen Erlebnispark verwandeln und sich von Besuchergruppen als exotische Exponate begaffen lassen.
Schäfer nutzt die lapidaren Dialoge für einen Laborversuch über eine Gesellschaft, die selbst ihren Kindermangel noch als Produkt sieht, das zu vermarkten ist. Entsprechend lässt Ausstatterin Hella Prokoph alles in aseptischem Reinweiß strahlen: Vom undurchsichtigem Wohnrondell aus Stores bis zum hochgeschlossenen Kleid der Vorzeige-Ehefrau und Mutter Claudia, den Anzügen, die ihren Mann Adrien (Endre Holeczy) und den Sponsor-Manager Krakert zu geschniegelten Zwillingen machen.
Mit sparsamen, szenisch sehr wirksamen Mitteln wie dezent eingespielter Musik und dem differenzierten Spiel schafft die Inszenierung eine beklemmende Atmosphäre chronischer Fremdbestimmung. Dabei gefällt Robert Arnold als zynischer Manager Krakert mit Restbedürfnis nach Zärtlichkeit. Mimisch und gestisch besonders ausdrucksstark zeigt Nicole Schneiders Claudia Resignation und Wut einer Verletzlichen, die von den Zwängen ihres Sponsoringvertrags durchs Leben gejagt wird.

Schwäbisches Tagblatt 30.10.07

Weißgott verkauftes Glück

Joachim Zelters Alpha Park hatte am Zimmertheater deutsche Erstaufführung
Ganz in weiß, die Bühne (Hella Prokoph) ein großer weißer Faltenwurf mit einem weißen Faltenwurfbaldachinggeheimnis, das die Alpha-Parkwelt im innersten zusammen hält, das Herz, die Schaltzentrale, ein quasireligiöser Ort. In erster Linie ist es aber das abstrahierte Zuhause von Claudia und Adrien: Luxus und Eleganz, das Ergebnis finanzieller Polsterung, durch Alpha Park, eine Sekten-gleiche Sponsoring-Organisation, deren eigene Motive und Finanzierung im Dunkeln bleiben, nur eins ist klar: Sie finanzieren glücklichen Vorzeige-Liebespaaren das (in dieser düsteren Science-Fiction-Vision) zu teure Familienleben, die Kinder. Ein mephistophelischer Pakt.

Alpha im Einkaufswagen
Joachim Zelters Stück ?Alpha Park? beginnt mit dem Besuch von Herrn Krakert (Robert Arnold), ein sprechender Name, denn er fährt entsprechend seine Krakenarme aus. Sehr offiziell, sehr seriös, sehr smart und beflissen tritt er auf, sehr beherrscht, jedenfalls zunächst, ein Spielart des Schmierigen, denn von Anfang an spürt man die Zudringlichkeit, ein stiller Furor fährt ihm die leise Stimme. Ein Machtmensch, durchaus auch erotisch angezogen von: Claudia (Nicole Schneider), ihm gegenüber, etwas zitternd, mit Fluchtgedanken.

Als das ist da in dieser ersten Szene, die den Ton, den Stil dieser Inszenierung anschlägt: Ungefähr so künstlich wie das Bühnenbild, kein Naturalismus. Eine Choreographie aus Worten und Gesten, vor allem in der zweiten Hälfte des Stücks beklemmend und komisch, mehr beklemmend als komisch. Auch jetzt zu Beginn, trägt das Stück, trägt diese Inszenierung Züge eines Alptraums oder eines seltsamen Science Fiction. Krakert konfrontiert Claudia mit den schlechten Zeugnisnoten ihrer Kinder, erinnert sie mit sanfter Gewalt, woher ihr Luxus stammt. Das Gespräch nimmt immer mehr Züge einer Erpressungs- oder Verhörsituation an.
Schließlich nimmt er sich eine Kontaktlinse von der Pupille und drückt sie Claudia als Film aufs Auge. Lichtwechsel. Zitatweise sehen wir Bilder davon auf dem als Filmleinwand dienlichen weißen Baldachin, leise blubbert Sphärenmusik im Hintergrund: Wie alles begann, damals, vor 15 Jahren.
Und wir sehen: Das Leben war ziellos, verbummelt, aber ausgelassen. Das Leben von Alpha Park, Krakert, Claudia und Adrien (in der kleinen Nebenrolle: Endre Holeczy) kommentieren und erzählen die Erinnerungssequenzen, dann hört man wieder Claudia und Adrien im Dialog, erzähltechnisch ist das reizvoll. Claudia lernt Adrien kennen als sie ihn um eine Münze für den Einkaufswagen bat, er folgte ihr in den Laden, gemeinsamer Einkauf, anbahnende Liebe. Regisseur Christian Schäfer lässt Claudia tatsächlich mit einem Einkaufswagen herumkurven. In den Einkaufswagen setzt er -und das steht in Zelters Stück nicht- den grinsenden Krakert. Ein prima Einfall, denn Alpha Park ist ja von Anfang an dabei, wird so auf diese aufblühende Liebe aufmerksam.

Liebe Pärchenbildung
Aufblühende Liebe? In dieser Rückblende hören wir seltsame Äußerungen Adriens über die Eigenarten vor allem Frauen, über deren weibliche Fangmethode etwa und die Neigung, sich gern über die eigenen Möglichkeiten hinaus verschwenderisch zu verhalten, in Gefühle hineinzusteigern; des weiteren eine generell für Verliebte typische Eigendynamik von verbalen Zweisamkeitsgekuschel mit einhergehender, ebenso unheilsamer Tendenz, die Pärchenbildung namens Liebe auch unbedingt für immer und ewig festhalten zu wollen. Aus der Warte des Stücks liegt da also schon der Keim zum folgenden Unglück, denn genau auf solche Hochglanzgeschichten hat es Alpha Park abgesehen.
(Ja so gesehen existiert Alpha Park im Keim schon längst. In jeder Familie, die sich für die Kombination aus Luxus und heilem Familienleben finanziell verschuldet und psychisch ruiniert.)

Bessere zweite Hälfte
Aber wie gesagt: In Zelters Stück und in Schäfers Inszenierung wird einem das spielerisch untergejubelt, als nettes Wortpingpong, als Sprachspiel um Wortgetüme ?Liebstenlieberliebesbrief?. Ausgelassene Stimmung. Erst recht als die Kreuzfahrt aus den Tiefen der Erinnerung bebildert wird, oft blitzt die Kamera des Alpha-Park-Photographen. Claudia und Krakert watscheln vergnügt, halten Drinks in der Händen. Nicole Schneider und Robert Arnold machen das gut und trotzdem sind Stück und Inszenierung in dieser Phase am gefährdetsten, scheinen mit ihren Protagonisten zu tändeln, die Regieeinfälle wirken wie Illustrationen und man ist froh, als Hochzeit und Hochzeitstournee von Krakert mit markerschütternder Stimme herausgebrüllt werden und er auch beim Punkt Weihnachten die Contenance verliert.

Denn nun und nach dem Ende des Erinnerungsteils hebt der beste Teil des Abends an, das Stück, das bis dahin nicht richtig für sich einnahm, wird jetzt zu einem dichten, intimen Zweipersonenstück, endlich greift die von Zelters Romanen her bekannte Sprachmusik, und wie zum Dank dafür steigern sich nun auch Robert Arnold und Nicole Schneider zum Prädikat „fesselnd gut“.

Auf einmal gewinnt die psychologische Konstellation zwischen Claudia und Krakert an Facettenreichtum, Claudia bekommt phasenweise Oberwasser, Krakert wird aus der Fassung gebracht, hüstelt angeschlagen. Alpha Park im Zimmertheater ist jetzt so gut, dass es einem völlig wurscht ist: dass dieses Thema seit Orwells „1984“ oder Huxleys „Schöner neuer Welt“ nicht mehr soo überrascht. So gilt, dass man sich nun, nachträglich, fragt, warum es überhaupt diese ganzen Erinnerungssequenzen vorher brauchte und ob es nicht besser gewesen wäre, der Autor hätte aus diesem Teil ein anderes, eigenes Theaterstück geschrieben.

Unterm Strich:
Eine sektenähnliche, möglicherweise staatstragende, jedenfalls reichlich dubiose Organisation namens Alpha Park finanziert ausgewählten Paaren die sonst zu teure Familiengründung – und erhält dafür weitgehendes Mitspracherecht. So richtig gut werden dieses Stück und diese Inszenierung allerdings erst in der zweiten Hälfte da aber mächtig. Große schauspielerische Leistung.


Theater der Zeit 4/08 von Otto Paul Burkhardt
Vom Lebensgesamtglück und anderen Problemen

Mehr Uraufführungen denn je: Mit Axel Krauße und Christian Schäfer brechen neue Zeiten am Tübinger Zimmertheater an

(…)Dann ein zweiter, ähnlich gestrickter Anlauf zum Thema Arbeit: „Alpha Park“ (UA), ein Stück des Tübinger Autors und Thaddeus-Troll-Preisträgers Joachim Zelter. Auch hier ist das Leben, ist die soziale Realität längst deformiert, bevor der Text beginnt – mit der Konsequenz, dass auch Zelters Plot groteske Züge trägt: Denn Arbeit, Wohnung, Kinder – das alles ist hier nur noch als Sponsoringfall finanzierbar. Die auserkorene Modellfamilie verkauft sich komplett an eine obskure Firma (ein moderner Teufelspakt) und muss sich fürderhin im „Alpha Park“ als rares Exemplar eines Lebensgesamtglücks begaffen lassen. Die Firma zahlt alles -„mit einer garantierten Laufzeit von zwanzig Jahren“.
Christian Schäfer verlegt das Ganze ins Foyer eines Sektenkonzerns – ein ganz in Weiß ausgestalteter Raum mit dem Charme einer Sterbeklinik und Vorhängen in peniblem Faltenwurf (Ausstattung Hella Prokoph). Weißer Spiritualitätsterror als Vorhof zur schwärzesten Hölle?

Robert Arnolds Krakert, dessen Menschenfang-Methoden an das ähnlich lautende Meerestier erinnern, bewegt sich in diesem Schauhaus lebender Exponate als Seelenfischer, Dompteur und Gefangenenwärter. Im Stil eines modernen Geschäftsmannes wirft er locker seine rosa Krawatte über die Schulter, um den Kaffee störungsfrei trinken zu können. Gleichzeitig inspiziert er die angeworbene Mutter (willenlos bis aufbegehrend: Nicole Schneider) wie ein Abschreibungsobjekt. Oder ordnet alsbald im Gestus eines gebrüllten „Führer“-Befehls die Produktion eines weiteren Kindes an.
Halb Dystopie, halb Albtraum: „Alpha Park“ ist bildkräftig und detailreich inszeniert. Und bildet mit dem Frechette-Text ein ergiebiges Doppel zum Spielzeitthema -mit Blick auf verrückte („Simon Labrosse“) und erschreckende („Alpha Park“) Auswüchse einer aus den Fugen geratenden Arbeitswelt. (…)

Stuttgarter Nachrichten 30.10.09 von Horst Lohr

Die neuen Intendanten des Tübinger Zimmertheaters starten mit einer Doppelpremiere in die Spielzeit

Ausstellungsstück Familienleben im Erlebnispark

Einen Kraftakt der besonderen Art muten sich Vera Sturms Nachfolger als Intendanten des Tübinger Zimmertheaters zu: Nicht weniger als elf Premieren und zahlreiche Zusatzveranstaltungen sieht Axel Kraußes und Christian Schäfers erster Spielplan vor.

Sich damit künstlerisch nicht zu übernehmen, wird nicht einfach werden. Die Doppelpremiere zum Spielzeitstart hinterließ handwerklich einen zwiespältigen Eindruck: Die beiden Zimmertheater-Chefs setzten als Regisseure erste Zeichen und stellten dabei ihr fünfköpfiges festes Ensembles vor.

Fesseln kann Christian Schäfer mit seiner Inszenierung der Uraufführung von Joachim Zelters „Alpha Park“. In seinem sarkastischen Kammerspiel beobachtet der in Tübingen lebende Autor ein Paar, das seine gesamte Existenz von einer Firma planen und sponsern lässt. Als Gegenleistung müssen die beiden ihr Zuhause samt Ehe- und Familienleben in einen Erlebnispark verwandeln und sich von Besuchergruppen als exotische Exponate begaffen lassen.
Schäfer nutzt die lapidaren Dialoge für einen Laborversuch über eine Gesellschaft, die selbst ihren Kindermangel noch als Produkt sieht, das zu vermarkten ist. Entsprechend lässt Ausstatterin Hella Prokoph alles in aseptischem Reinweiß strahlen: Vom undurchsichtigem Wohnrondell aus Stores bis zum hochgeschlossenen Kleid der Vorzeige-Ehefrau und Mutter Claudia, den Anzügen, die ihren Mann Adrien (Endre Holeczy) und den Sponsor-Manager Krakert zu geschniegelten Zwillingen machen.
Mit sparsamen, szenisch sehr wirksamen Mitteln wie dezent eingespielter Musik und dem differenzierten Spiel schafft die Inszenierung eine beklemmende Atmosphäre chronischer Fremdbestimmung. Dabei gefällt Robert Arnold als zynischer Manager Krakert mit Restbedürfnis nach Zärtlichkeit. Mimisch und gestisch besonders ausdrucksstark zeigt Nicole Schneiders Claudia Resignation und Wut einer Verletzlichen, die von den Zwängen ihres Sponsoringvertrags durchs Leben gejagt wird.

Schwäbisches Tagblatt 30.10.07

Weißgott verkauftes Glück

Joachim Zelters Alpha Park hatte am Zimmertheater deutsche Erstaufführung
Ganz in weiß, die Bühne (Hella Prokoph) ein großer weißer Faltenwurf mit einem weißen Faltenwurfbaldachinggeheimnis, das die Alpha-Parkwelt im innersten zusammen hält, das Herz, die Schaltzentrale, ein quasireligiöser Ort. In erster Linie ist es aber das abstrahierte Zuhause von Claudia und Adrien: Luxus und Eleganz, das Ergebnis finanzieller Polsterung, durch Alpha Park, eine Sekten-gleiche Sponsoring-Organisation, deren eigene Motive und Finanzierung im Dunkeln bleiben, nur eins ist klar: Sie finanzieren glücklichen Vorzeige-Liebespaaren das (in dieser düsteren Science-Fiction-Vision) zu teure Familienleben, die Kinder. Ein mephistophelischer Pakt.

Alpha im Einkaufswagen
Joachim Zelters Stück ?Alpha Park? beginnt mit dem Besuch von Herrn Krakert (Robert Arnold), ein sprechender Name, denn er fährt entsprechend seine Krakenarme aus. Sehr offiziell, sehr seriös, sehr smart und beflissen tritt er auf, sehr beherrscht, jedenfalls zunächst, ein Spielart des Schmierigen, denn von Anfang an spürt man die Zudringlichkeit, ein stiller Furor fährt ihm die leise Stimme. Ein Machtmensch, durchaus auch erotisch angezogen von: Claudia (Nicole Schneider), ihm gegenüber, etwas zitternd, mit Fluchtgedanken.

Als das ist da in dieser ersten Szene, die den Ton, den Stil dieser Inszenierung anschlägt: Ungefähr so künstlich wie das Bühnenbild, kein Naturalismus. Eine Choreographie aus Worten und Gesten, vor allem in der zweiten Hälfte des Stücks beklemmend und komisch, mehr beklemmend als komisch. Auch jetzt zu Beginn, trägt das Stück, trägt diese Inszenierung Züge eines Alptraums oder eines seltsamen Science Fiction. Krakert konfrontiert Claudia mit den schlechten Zeugnisnoten ihrer Kinder, erinnert sie mit sanfter Gewalt, woher ihr Luxus stammt. Das Gespräch nimmt immer mehr Züge einer Erpressungs- oder Verhörsituation an.
Schließlich nimmt er sich eine Kontaktlinse von der Pupille und drückt sie Claudia als Film aufs Auge. Lichtwechsel. Zitatweise sehen wir Bilder davon auf dem als Filmleinwand dienlichen weißen Baldachin, leise blubbert Sphärenmusik im Hintergrund: Wie alles begann, damals, vor 15 Jahren.
Und wir sehen: Das Leben war ziellos, verbummelt, aber ausgelassen. Das Leben von Alpha Park, Krakert, Claudia und Adrien (in der kleinen Nebenrolle: Endre Holeczy) kommentieren und erzählen die Erinnerungssequenzen, dann hört man wieder Claudia und Adrien im Dialog, erzähltechnisch ist das reizvoll. Claudia lernt Adrien kennen als sie ihn um eine Münze für den Einkaufswagen bat, er folgte ihr in den Laden, gemeinsamer Einkauf, anbahnende Liebe. Regisseur Christian Schäfer lässt Claudia tatsächlich mit einem Einkaufswagen herumkurven. In den Einkaufswagen setzt er -und das steht in Zelters Stück nicht- den grinsenden Krakert. Ein prima Einfall, denn Alpha Park ist ja von Anfang an dabei, wird so auf diese aufblühende Liebe aufmerksam.

Liebe Pärchenbildung
Aufblühende Liebe? In dieser Rückblende hören wir seltsame Äußerungen Adriens über die Eigenarten vor allem Frauen, über deren weibliche Fangmethode etwa und die Neigung, sich gern über die eigenen Möglichkeiten hinaus verschwenderisch zu verhalten, in Gefühle hineinzusteigern; des weiteren eine generell für Verliebte typische Eigendynamik von verbalen Zweisamkeitsgekuschel mit einhergehender, ebenso unheilsamer Tendenz, die Pärchenbildung namens Liebe auch unbedingt für immer und ewig festhalten zu wollen. Aus der Warte des Stücks liegt da also schon der Keim zum folgenden Unglück, denn genau auf solche Hochglanzgeschichten hat es Alpha Park abgesehen.
(Ja so gesehen existiert Alpha Park im Keim schon längst. In jeder Familie, die sich für die Kombination aus Luxus und heilem Familienleben finanziell verschuldet und psychisch ruiniert.)

Bessere zweite Hälfte
Aber wie gesagt: In Zelters Stück und in Schäfers Inszenierung wird einem das spielerisch untergejubelt, als nettes Wortpingpong, als Sprachspiel um Wortgetüme ?Liebstenlieberliebesbrief?. Ausgelassene Stimmung. Erst recht als die Kreuzfahrt aus den Tiefen der Erinnerung bebildert wird, oft blitzt die Kamera des Alpha-Park-Photographen. Claudia und Krakert watscheln vergnügt, halten Drinks in der Händen. Nicole Schneider und Robert Arnold machen das gut und trotzdem sind Stück und Inszenierung in dieser Phase am gefährdetsten, scheinen mit ihren Protagonisten zu tändeln, die Regieeinfälle wirken wie Illustrationen und man ist froh, als Hochzeit und Hochzeitstournee von Krakert mit markerschütternder Stimme herausgebrüllt werden und er auch beim Punkt Weihnachten die Contenance verliert.

Denn nun und nach dem Ende des Erinnerungsteils hebt der beste Teil des Abends an, das Stück, das bis dahin nicht richtig für sich einnahm, wird jetzt zu einem dichten, intimen Zweipersonenstück, endlich greift die von Zelters Romanen her bekannte Sprachmusik, und wie zum Dank dafür steigern sich nun auch Robert Arnold und Nicole Schneider zum Prädikat „fesselnd gut“.

Auf einmal gewinnt die psychologische Konstellation zwischen Claudia und Krakert an Facettenreichtum, Claudia bekommt phasenweise Oberwasser, Krakert wird aus der Fassung gebracht, hüstelt angeschlagen. Alpha Park im Zimmertheater ist jetzt so gut, dass es einem völlig wurscht ist: dass dieses Thema seit Orwells „1984“ oder Huxleys „Schöner neuer Welt“ nicht mehr soo überrascht. So gilt, dass man sich nun, nachträglich, fragt, warum es überhaupt diese ganzen Erinnerungssequenzen vorher brauchte und ob es nicht besser gewesen wäre, der Autor hätte aus diesem Teil ein anderes, eigenes Theaterstück geschrieben.

Unterm Strich:
Eine sektenähnliche, möglicherweise staatstragende, jedenfalls reichlich dubiose Organisation namens Alpha Park finanziert ausgewählten Paaren die sonst zu teure Familiengründung – und erhält dafür weitgehendes Mitspracherecht. So richtig gut werden dieses Stück und diese Inszenierung allerdings erst in der zweiten Hälfte da aber mächtig. Große schauspielerische Leistung.